14.10.2009
21.10.2009
Ausstellung
Veranstaltung
DJ / Live–Music
 
 

REALLY?

Anna Frei, Lucie Kolb, Anne Käthi Wehrli

Last chance mit Fred Hystère & Ginger Drops Downstairs gonna play some love songs: Mittwoch, 21. Oktober, ab 20h

Ausgehend von den anlässlich der Off_Pride im Rahmen der Ausstellung Queerscapes initiierten Archivbegehungen you can find me in the lexicon, in the lexicon, reflektieren und erweitern Anna Frei, Lucie Kolb und Anne Käthi Wehrli hier nochmals ihren Arbeitsprozess.

In den 6 Begehungen wurde Queerness in ausgewählten Archiven behauptet, platziert und ausgetestet. Die Archive dienten sowohl als Bühnenbild, als auch als Bühne selbst; als Orte der gesprochenen Sprache, als temporäre Ereignisse. Mit dem Einordnen in und dem Hinterfragen der Autoritätsinstanz Archiv lenken die Autor_innen nun ihr Interesse auf eben diese Performance der Widersprüche. Dabei stellt sich einerseits die Frage wie die oftmals eher zwischen den Zeilen als explizit formulierte Queerness innerhalb einer normativen Geschichtsschreibung überhaupt gefunden und als solche gefasst werden kann, andererseits fragt die von der Queer-Theorie formulierte Kritik normativer Strukturen nach einer entsprechend anderen Praxis des Archivierens. Innerhalb dieses Paradoxons bewegen sich beide Projekte.

you can find me in the lexicon, in the lexicon und REALLY? stellen der gewissermassen passiven Struktur des Archivs eine aktive und performative Handlung entgegen, die in der Aneignung queerer Strategien Unterdrückungs-relationen aufzuzeigen und queere Geschichte zu behaupten vermag. Die Form des Performativen unterstreicht dabei das Bewusstsein um die Notwendigkeit eines aktiven Umgangs mit gesammeltem Material, das sich somit in immer neue temporäre Zusammenhänge fügt. Das im Rahmen von you can find me in the lexicon, in the lexicon gesammelte (Dokumentations-) Material wird in REALLY? somit nicht innerhalb eines kategorisierten Ablagesystems zu Verfügung gestellt, sondern erneut erweitert und in eine Form gebracht, die auf die Beteiligung der Rezipient_innen angewiesen ist und überhaupt nur gemeinsam mit diesen entstehen kann.

REALLY? zeichnet die Raumform eines Archives nach. Die in "Bestand", "Lesesaal" und "Cafeteria" unterteilten Räume laden zur Nutzung durch die Besucher_innen ein. Auf einem 2m x 1m grossen Poster findet sich eine Sammlung von klein-gedruckten Textfragmenten – Texte aus dem Fundus der Queer-Theorie, zu Archiven, im Rahmen von you can find me in the lexicon, in the lexicon gesammelte und von den drei Autor_innen verfasst Beiträge - und ebenso kleinen Bildern, 
die in einer dreidimensional anmutenden, spindelähnlichen Form angeordnet sind. Über ein seitlich angebrachtes Koordinatensystem lassen sich die jeweiligen Text- und Bildquellen eruieren. Das Poster kann gefaltet und auf dem bereitstehenden Kopierapparat in Ausschnitten auf A4 Papier vergrössert und vervielfältigt werden. Die angedeutete Dreidimensionalität der Grafik, die Tatsache, dass der Text weder einen eigentlichen Anfang noch ein Ende hat und die Unmöglichkeit Text auf diesem Format und in dieser Grösse zu lesen fragen nach einer aus subjektiver Perspektive handelnden Angehensweise an das "Archiv" in der jede_r Besucher_in die eigenen Rahmungen mitproduziert.

Das Video (hinterer Raum) schlägt ebenfalls den Bogen zurück zu den im Rahmen von Queerscapes/Off_Pride entwickelten Archivbegehungen. Auf der ursprüng-lich für einen Live-Stream produzierten Tonspur fügen die Autor_innen entlang eines von Rae Spoon live begleiteten Textes von Terre Thaemlitz Textfragmente aus unterschiedlichen Quellen über unterschiedliche Abspielgeräte zusammen. Das projizierte Bild zeigt dazu einen Ausschnitt aus dem Entstehungsprozess des REALLY? Posters, welche der Bestimmung der Quellenangaben innerhalb des Koordinatensystems folgt.

Zeitgleich mit der Eröffnung von REALLY? geht die you can find me in the lexicon, in the lexicon Website online: 
www.in-the-lexicon-in-the-lexicon.ch


REALLY?
Anna Frei, Lucie Kolb, Anne Käthi Wehrli
Raumgestaltung: Lena Reiser
Schreinerarbeiten: Kej Friedli
Buch: Aurelia Markwalder
Kopiergerät: Herr Ender, Xeroprint AG
Wasserdispenser: Mineralquelle Eptingen
Korrektorat Poster: Bettina Dyttrich, Franziska Glozer, Noemi Landolt, Samuel Werinos
Druck Poster: Thomas Rommel, Typotron AG St.Gallen, Copy Art Bienz, St.Gallen


Besonderer Dank geht an: Andrea Thal, Dimitrina Sevova, Judith Welter vom Migros Museum für Gegenwartskunst, Philipp Hofstetter vom Archiv für Zeitgeschichte, Rolf Dewald und Walther Krieg vom DESO Radiomuseum, Dieter Studer vom Phonogrammarchiv, alle Künstler_innen, Theoretiker_innen und andere: AtomicTitCorporation, Nicole Bachmann, Sabina Baumann, Mareike Bernien & Moira Hille & Kerstin Schroedinger, Patricia Bucher, Martin Büsser, Melissa Castagnetto, Marthe van Dessel, Regula Engeler, Christina Della Giustina, Stella Glitter, Salomé Golliez, Anna Lena Grau, Michael Hiltbrunner, Krokodils-tränensirup, Chingsum Luk, Michaela Melián, Philipp Messner, Eran Schaerf & Eva Meyer, Sands Murray-Wassink, Jim Osthaarchic, Claudia Reinhardt, Ana Roldan, Evi Rüsseler, Simone Schardt, Anna Schürch, Rae Spoon, Valentina Stieger, Kaspar Surber, Terre Thaemlitz, Vee und YAM, wire less choir, dem Kamerateam 
bei you can find me in the lexicon, in the lexicon: Florian Bachmann, Sarah Jäger, Maria Sigrist, Riikka Tauriainen, Urslé von Mathilde, Lena Reiser für Getränk und Fotos, Sara Bernasconi, Philipp Messner für 
die Recherchen, Felix Eggmann fürs Web.