on & against präsentiert eine Reihe von Veranstaltungen die inhaltlich bewusst ein weites Themenfeld öffnen. In sich und untereinander sollen sie das Zusammendenken unterschiedlicher, sich überschneidender kritischer Ansätze aus antirassistischen, queeren und trans* Perspektiven zusammenbringen. Über die Inhalte der Reihe hinaus möchte on & against den Versuch unternehmen hierarchisch strukturierte Sprech- und Vermittlungspositionen umzuarbeiten. In Zusammenarbeit mit Mirjam Bürgin entsteht dazu eine unterschiedlich aufstellbare Raumfigur, die eine möglichst horizontal angelegte Form des Sprechens und des Austausches zu ermöglichen sucht.
Ausgehend von ihrer künstlerischen Praxis präsentiert das Kollektiv microsillons am ersten Abend ihre Recherchen zu möglichen Ansätzen horizontaler Wissensvermittlung in institutionellen Kontexten. Mit den Verflechtungen von Geschlecht, Sexualität, Ethnizität und Klasse in Frauengefängnissen beschäftigt sich der zweite Abend der Reihe. Die Künstlerin Elliat Graney-Saucke zeigt und diskutiert in diesem Zusammenhang gemeinsam mit der Historikerin Dominique Grisard erste Ausschnitte aus ihrem Film Boys on the Inside. Maria Iorio und Raphaël Cuomo präsentieren eine Woche später SUDEUROPA. Der im Verlauf von drei Jahren auf Lampedusa gedrehte Film reflektiert die Auswirkungen der europäischen Migrationspolitik auf den Alltag verschiedener Bewohner_innen der Insel und entwickelt dabei eine sensible künstlerische Umsetzung der komplexen Thematik. Die letzte Veranstaltung konzentriert sich auf die Kritik zweigeschlechtlicher Gesellschaftsnormen. Im Anschluss an den Filme L′ordre des mots diskutiert d_ intersexuelle Aktivist_in Vincent Guillot mit Chris Caprez und den Gästen.
Präsentation / Diskussion
Horizontaler Wissensaustausch
microsillons
Mittwoch, 10. März 2010, 19h
Das Künstler_innenkollektiv microsillons wurde 2005 von Marianne Guarino-Huet und Olivier Desvoignes gegründet. microsillons realisieren eigene Projekte, die sich an der Grenze von Kunst und Kunstvermittlung mit nicht-hierarchischem Wissensaustausch beschäftigen und sind seit 2008 zuständig für den Bereich der Kunstvermittlung am Centre d′Art Contemporain in Genf. In dieser Institution zeigen sie derzeit die Ausstellung "Utopie und Alltäglichkeit. Zwischen Kunst und Pädagogik".
Bei Les Complices* präsentieren microsillons einige ihrer eigenen sowie Beispiele anderer Projekte und unternehmen den Versuch, diese anhand der Idee der Horizontalität kritisch zu reflektieren. Dabei bewegen sie sich entlang der Fragen: Wie können Kunstprojekte pädagogische Methoden nutzen, um die traditionelle Lehrer_in-Student_in Beziehung zu überdenken und neu zu gestalten? Kann die Kunst ein Ort des Experimentierens mit Alternativen zur herkömmlichen passiven Wissensvermittlung sein, die der Pädagoge und selbstbezeichnete "Lehrer-Schüler" Paulo Freire "banking education/Bankiers-Methode" nannte? Wie können kollaborative Kunstpraktiken den Raum zum Dialog zwischen Institutionen und Gesellschaft öffnen?
Links: www.microsillons.org
Screening / Diskussion
Bois on the Inside
Das Frauengefängnis an der Schnittstelle von Geschlecht, Sexualität, Ethnizität / "Rasse" und Klasse
Elliat Graney-Saucke und Dominique Grisard
Mittwoch, 17. März 2010, 19h
Elliat Graney-Saucke zeigt einen rough cut von Boys on the Inside, einem Dokumentarfilm über die maskuline beziehungsweise "boi" Kultur in US amerikanischen Frauengefängnissen. Der Film folgt einer kleinen Gruppe vormals inhaftierter Individuen, die über ihre Erfahrungen im Gefängnis und das Leben danach reflektieren. Die Filmemacherin Elliat Graney-Saucke ist eine Multimediakünstlerin, die ihre künstlerische Arbeit mit kulturellem Aktivismus aus queerer Frauensicht verbindet. Sie ist Regisseurin und Produzentin von Travel Queeries (2009), einem Dokumentarfilm über radikale queere Szenen in Europa.
Neben Boys on the Inside werden auch Szenen aus Daniel Peddles The Aggressives gezeigt, einem Dokumentarfilm, der dem Leben von sechs selbstidentifizierten "Aggressives" folgt. Die Bezeichnung "Aggressives" wird von den Personen im Film - sie repräsentieren ein breites Spektrum von Geschlechter - und sexuellen Identifizierungen, darunter femme, butch, transgender, lesbisch und queer - nur zögerlich definiert. Die Erzählung hebt die Rolle von Institutionen wie dem Gefängnis, dem Spital, der Schule und dem Militär im Leben der Protagonist_innen hervor.
Die Filme geben Anlass zur Diskussion über Trans / Geschlechtlichkeit im Gefängnis und die wechselseitige Abhängigkeit von Geschlecht, Sexualität, "Rasse" / Ethnizität und Klasse. Sie werfen Fragen über Repräsentationspolitiken auf, beispielsweise über das gesellschaftskritische Interventionspotential von Film oder auch über die Ethik des Dokumentarfilmens. Dominique Grisard vom Zentrum Gender Studies der Uni Basel führt in die Thematik ein und moderiert die Diskussion.
Links: www.travelqueeries.com www.genderstudies.unibas.ch
Screening / Diskussion
SUDEUROPA
Maria Iorio und Raphaël Cuomo
Mittwoch, 24. März 2010, 19h
Nach ihrer Ausstellung bei Les Complices* im November 2009 zeigen Maria Iorio und Raphaël Cuomo hier einen älteren Video aus ihrer langzeitig angelegten und in engem inhaltlichen Zusammenhang stehenden Film- und Recherchereihe zu den Auswirkungen der europäischen Migrationspolitik. SUDEUROPA (2005 - 2007, 40 min) thematisiert dabei die spezifischen räumlichen, medialen und zeitlichen Konfigurationen, die diese im Alltag der sizilianischen Insel Lampedusa hervorrufen. Mit der Konzentration auf den Hafen, die vor dem Inkrafttreten des Schengen-Abkommens nach Lampedusa gelangten Angestellten der Hotels und die parallel mediatisierten Bilder des idyllischen Ferienparadieses einerseits und der in westlichen Medien überpräsenten Bilder ankommender Flüchtlinge andererseits übersetzt der Film die komplexe Thematik in eine mehrschichtige Erzählstruktur, die dabei auch nach deren (un)möglichen Darstellungsformen fragt. Maria Iorio und Raphaël Cuomo gehen in der Einführung zum Film auf dessen Produktionsbedingungen, ihre künstlerische Praxis und die zwischenzeitlich geschehenen Veränderungen am Drehort ein.
Links: www.parallelhistories.org
Screening / Diskussion
L’ordre des mots
Film Screening und Diskussion über inter- und transsexuelle Politiken in Frankreich und der Schweiz
Vincent Guillot und Chris Caprez
Film/Diskussion: Sonntag, 4. April 2010, 19h
Brunch: Montag, 5. April 2010, 11h
Was heisst es, zwischen den Geschlechtern zu leben? Ist das überhaupt möglich, und wenn ja, zu welchem Preis? Der Dokumentarfilm L’ordre des mots (2007, Regie: Cynthia und Mélissa Arra, 75 min) portraitiert sechs transsexuelle, intersexuelle und genderqueere Menschen in Frankreich und dokumentiert ihren Kampf gegen vorherrschende Geschlechternormen. Die Protagonist_innen erzählen vom Leben in einer zweigeschlechtlichen Gesellschaft, von Glücksmomenten und vom schwierigen Ringen mit sich selbst, mit ihrem Umfeld und mit konservativen Mediziner_innen. Der Film gibt auch Einblick in die Strategien der Gruppe GAT (Groupe Activiste Trans), die während einigen Jahren in Paris mit subversiven Aktionen Unruhe stiftete. Nach dem Film diskutiert Vincent Guillot, Protagonist_in im Film und intersexuelle Aktivist_in, mit Chris Caprez und den Gästen. Am folgenden Tag findet bei Les Complices* ein Brunch für alle Teilnehmer_innen statt.