Christian Ratti hat 2007 die Fassaden-Renovation der Anwandstrasse 9 begleitet. Er hat Kontakt mit der Hausgenossenschaft Ponsyrus aufgenommen, an den vorbereitenden Sitzungen teilgenommen und in der Geschichte des Hauses gestöbert um eine künstlerische Intervention im Rahmen des Umbaus vorzuschlagen und gemeinsam mit den Bewohner_innen umzusetzen. Die Ausstellung MURATTI AMBASSADOR rollt den Prozess auf und zeigt Dokumente und "Reste" dieser Hausarbeit. Ein Teil der entstandenen Arbeiten wurde nach der Ausstellung dem Haus übergeben und im Treppenhaus aufgehängt, eine in Zusammenarbeit mit den Bewohner_innen vorgenommene Intervention im Aussenbereich installiert.
Gespräch zeichnen Christian Ratti und Andrea Thal zur Hausgenossenschaft Ponsyrus, seiner künstlerische Einmischung in den Umbau der Anwandstrasse 9 und Komplizenschaft:
Christian Ratti:
Andrea Thal, vor einem Jahr wurdest du von der Genossenschaft Ponsyrus, der das Haus an der Anwandstrasse 9 gehört, angefragt, ob die Bauarbeiter während der geplanten Fassadenrenovation die Toilette von Les Complices* benutzen dürfen. Nach einer ersten stillen Empörung, wie du auf diese Anfrage reagieren solltest, hattest Du die Idee, den Umbau ins Ausstellungsprogramm einzubeziehen.
Andrea Thal:
Empörung war es eigentlich nicht, eher die Sorge, wie sich der Ausstellungsbetrieb und die Baustelle vereinbaren lassen. Auf jeden Fall habe ich dann erkannt, dass die Unterbrechung des normalen Betriebs dazu anregen könnte, über die Einteilung und Nutzung der Räume nach zu denken. Daraufhin habe ich eine Gruppe von KünstlerInnen eingeladen, Arbeiten mit und über die Hausrenovation zu erstellen. Kaum hatte ich Kontakt mit euch aufgenommen, wurden die Bauarbeiten von Frühling 2007 auf den Herbst verschoben. Ungefähr zur gleichen Zeit zeichnete sich ab, dass die andern KünstlerInnen es vorzogen, ihre Werke nicht in direkten Bezug zum Umbau zu stellen. Dir wiederum bot die Verzögerung die willkommene Gelegenheit, dich intensiver mit dem Haus, seinen Bewohnern und der Genossenschaft Ponsyrus auseinander zu setzen.
CR: In einem ersten Schritt trafen wir den Architekten Dominik Herzog, selbst Hausbewohner, um uns die geplante Renovation erläutern zu lassen. Er wies uns auf zahlreiche Schäden hin. Das Dachwasserrohr neben dem Schaufenster von Les Complices* hatte eine Beule und ein Leck. Sollte ich es flicken? Wäre eine Erhaltung durch Reparaturen möglich? Unser Rohr war günstiger (Eisenblech) und etwas dünner als das kupferne des Nachbarn, welches parallel dazu verlief. Mir gefiel die unmittelbare Nachbarschaft der beiden Rohre. Auch vom Dach war ich sehr angezogen (vom konkreten Dach und vom Dach im metaphorischen Sinne). Das Dach sollte im Verlauf der Renovation neu gedeckt und isoliert werden. Da ergaben sich viele Erwägungen. Zum Beispiel die Verwendung von Wolle als Isolationsstoff. Schafwolle wird in der Schweiz nicht verarbeitet, sondern verbrannt! Auch die Wiederverwendung der alten Dachziegel war mir ein Anliegen. Konnten die Ziegel künstlerisch wie auch nützlich eingesetzt werden? Ein weiteres Thema war die Möglichkeit Regenwasser zu nutzen. Würde man es sammeln ergäbe sich genügend Wasser, um damit die WCs im Haus zu speisen. All diese Ansätze fanden letztlich keine Umsetzung.
Die Sitzungen mit den Hausbewohnern und ihrer Genossenschafts-Kultur waren für mich anregend. Der hohe Grad an Mitverantwortung und Selbstbestimmung, die Bindung an Haus und Genossenschaft, selbst von längst weggezogenen Bewohnern, schien mir vorbildlich und interessant.
AT: Umgesetzt werden konnte eine Idee, welche von einem alten Foto ausging, das seit Jahren bei uns im Treppenhaus hängt. Es zeigt das Haus und seine BewohnerInnen.
CR: Das Foto werde ich in der Ausstellung zeigen, zusammen mit zwei ähnlichen Aufnahmen, die ich vor und nach dem Umbau gemacht habe. Gemäss meinem Vorschlag werden die drei Bilder nach der Ausstellung auf die Wohnungen des Hauses verteilt.